Manche Kontakte brauchen Jahre, bis sie es aus dem Raum der wahrscheinlichen Möglichkeiten in die Realität schaffen. 2012 hatte ich mich auf einer Party in Berlin mit dem Kurator Peter Lang unterhalten. Peter Lang war ein auf den ersten Blick eher unauffällig wirkender Mann Mitte 50, der aber zu den bekanntesten Ausstellungsmachern Deutschlands zählte und ständig von spannenden und zu Diskussionen anregenden Projekten zu berichten hatte. Wir beide liefen uns in Berlin regelmäßig über den Weg, seit wir uns ursprünglich in ganz klassischer Art und Weise mit “Guck mal, der ist auch Physiker” vorgestellt worden waren. Tatsächlich hatte Peter in seinem “Leben vor der Kunst” Physik studiert und sein Interesse an dem Fach nie verloren. Wann immer wir uns trafen gerieten wir schnell in Gespräche über die Quantenphysik, Astrophysik, Wissenschaftstheorie und natürlich die Kunst. Auf jener Party 2012 erzählte er mir, ich müsse unbedingt die Künstlerin Jorinde Voigt kennen lernen. Deren Werke würden mir gefallen mit ihrem starken konzeptuellen Hintergrund und den vielfältigen theoretischen, auch philosophischen, Bezügen.

Tatsächlich fand ich Jorindes Arbeiten zu Beethovens Sonaten atemberaubend, allerdings gelang es mir beim schnellen Lesen der mitgeschickten Einleitung nicht wirklich, neben dem oberflächlich-ästhetischen auch einen theoretischen Zugang zu finden. Bei weiteren Nachforschungen auf der Webpage verlor ich mich dann irgendwo im dichten Unterholz der zahlreichen Werkserien und Verlinkungen.
Zu Jorinde fand ich erst wieder zurück, als sich das Projekt WissensARTen konkretisierte und ich mich auf die Suche nach Künstlern machte. Beethoven, Klang, Hörwahrnehmung, Akustik, das könnte funktionieren. Jorinde war gleich begeistert von dem Konzept, auch wenn es mir angesichts ihres berstenden Terminkalenders nicht gelang, sie vor unserem Interview persönlich zu sprechen und unsere Verabredung noch einmal zeitnah bestätigen zu lassen. Doch entgegen aufziehender Bedenken klappte alles. Wie verabredet war sie da, um mich in ihrem Atelier zu empfangen, und nahm sich viel Zeit um mir ihre Werke, ihr Denken und ihre Arbeit zu erklären. Peter Lang hatte Recht behalten. Je länger ich ihr zuhörte, je mehr ich lernte, desto überraschter war ich über die Parallelen die sich offenbarten. Ein vermutlich ähnliches Elternhaus, eine ähnliche, klassische Musikausbildung, ähnliche Autoren und Bücher, die einflussreich waren (Goethe, Hofstadter, Searle, Luhmann, Goodman) – Ingredienzen, die mich letztendlich in die Philosophie und Astrophysik geführt oder zumindest begleitet hatten, aber bei Jorinde als Motive im Rahmen künstlerischer Auseinandersetzung wirksam wurden.
Es ist eine bittere Ironie des Schicksals, dass Peter Lang knapp zwei Wochen vor meinem Treffen mit Jorinde in München einem Herzinfarkt erlag und nie erfahren wird, wie richtig er vor zwei Jahren mit seiner Einschätzung lag. So reiht sich dieses Projekt ein in das breite Spektrum von Ausstellungsnachklängen, Konzeptionen, Texten und Ideen, die dazu beitragen, dass Peter Lang weiterhin lebendig bleibt und hineinwirkt in den großen Raum möglicher Begegnungen zwischen Kunst und Wissenschaft.