“Die Wolken machen Wetter überhaupt erst sichtbar. Wenn wir in einen blauen Himmel gucken, sehen wir nichts von dem, was in der Atmosphäre passiert. Die Wolken sind faszinierend, weil sie sich ständig verändern und sie bringen das, was unser Leben ermöglicht, nämlich Wasser. Insofern habe ich Wolken gerne.” Der Meteorologe und Moderator Sven Plöger ist bekennender Wolkenfan mit Vorliebe für dramatische Wolkenformationen. Seine Lieblingswolke ist der Cumulonimbus capillatus incus, die hoch aufreichende Gewitterwolke, die mit ihrem ambossförmigen Abschluss an der Tropopause in rund 12 Kilometern Höhe endet. Wenn dieser imposante Wolkenkoloss sein Leben schließlich in einem schweren Gewitter beendet, hat er bereits sehr verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen, beginnend als kleine Quellwolke, genannt Cumulus humilis, die sich über den Mediocris zum hoch aufquellenden Congestus immer weiter auftürmt.
Die Entstehung und Entwicklung von Wolken lässt sich physikalisch einfach nachvollziehen, wenn man sich verdeutlicht, dass alle Wolken aus Wassertröpfchen beziehungsweise in großer Höhe auch aus Eiskristallen bestehen. Ob der in der Luft enthaltene Wasserdampf zu Wassertröpfchen kondensiert, hängt von der Lufttemperatur, der Luftfeuchtigkeit und dem Vorhandensein von Kondensationskeimen ab. Da diese Parameter mit der Höhe in der Atmosphäre variieren, ist für die Bildung von Wolken insbesondere vertikale Luftbewegung entscheidend, die sogenannte Konvektion. Sobald ein Luftpaket so hoch gestiegen ist, dass dessen Taupunkt erreicht ist, also die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist, bilden sich Wassertröpfchen und damit Wolken. Die Existenz von Wolken kann somit wiederum Aufschluss über vorliegende Luftströmungen und Bedingungen in der Atmosphäre geben. Gleichzeitig ist es schwierig, die Entstehung von Wolken exakt vorher zu sagen, da die Berechnung und Vorhersage von Luftströmungen auf kleinen räumlichen Skalen physikalisch sehr schwierig ist. “Man kann großflächig gute Aussagen treffen. Man kann sagen: Prinzipiell ist morgen ein wolkiger oder ein sonniger Tag, oder es gibt einen Wechsel. Aber natürlich kann man in der Prognose nicht sagen: im Süden von Berlin gibt es morgen um 14.43h einen kräftigen Schauer aus jener Wolke, die sich siebzehn Minuten vorher gebildet hat. Das werden wir auch nie können,” dämpft Plöger falsche Erwartungen.
Die Wettervorhersage basiert zu einem großen Teil auf komplexen numerischen Modellen. Um das zukünftige Wetter zu simulieren, wird zunächst ein relativ grobes, globales Modell gerechnet, bei dem Prozesse auf kleinen Skalen vernachlässigt werden können. Auf der Grundlage der globalen Berechnung kann man dann mit detaillierteren Modellen auf lokale Regionen fokussieren. Diese detaillierteren Modelle erlauben es aufgrund ihrer räumlichen Beschränktheit, mehr physikalische Prozesse mit höherer Genauigkeit zur berücksichtigen. Die Wettervorhersagen, die Sven Plöger und sein Team jeden Tag anfertigen, beruhen auf den Resultaten verschiedener meteorologischer Modelle aus vielen Nationen, unter anderem den USA, England und Deutschland. Bei der Auswertung der Modellvorhersagen spielt aber auch die meteorologische Erfahrung eine große Rolle. Dabei ist nicht nur physikalisches Wissen relevant, genauso fließen in die Einschätzung der Wetterlage geographisches und orographisches Wissen, d.h. ein Verständnis des Einflusses der Höhenstrukturen der Erdoberfläche, mit ein. “Es ist manchmal erstaunlich, wie sehr man trotz jahrelanger Erfahrung durch eine Modellrechnung überrascht werden kann”, berichtet Plöger, ”Das macht doch keinen Sinn und widerspricht jeder Erfahrung, sagt man sich dann und liegt mit einer ordentlichen Korrektur manchmal auch richtig gut. Aber man kann ebenso gut auch fürchterlich reinfallen. Denn das Modell ist in der Lage, sehr viele Prozesse gleichzeitig zu betrachten – und ist dabei sehr emotionslos.” Wenn sich Modell und Erfahrungen widersprechen, ist eine mögliche Strategie, die Stabilität der Modellvorhersage zu testen. Dafür variiert man die Anfangsbedingungen des Modells, das heißt die aktuelle beobachtete Wetterlage von der ausgehend gerechnet wird, und schaut, wie empfindlich das Modell auf solche Variationen reagiert.
Solche Strategien können dabei helfen, die Belastbarkeit von Modellvorhersagen einzuschätzen und die aktuelle Wetterlage besser zu verstehen. Sie haben allerdings nichts mit den prozentualen Wetterprognosen zu tun, die in den Medien häufig anzutreffen sind und beispielsweise eine Regenwahrscheinlichkeit von 50 Prozent anführen. Plöger steht diesem Stil der Wettervorhersage kritisch gegenüber: “Wenn ich in etwas keinen Sinn sehe, dann in dieser Angabe. Denn was bedeutet sie? Wenn ich zum Beispiel ein Bundesland wie Brandenburg habe, und eine Wetterlage, wo es in der Westhälfte den ganzen Tag durchregnet und in der Osthälfte nicht. Habe ich dann 50 Prozent? Ist es also eine Flächenfrage? Oder bedeutet es: ‘Schauer ja, Schauer nein’, also immer ein Wechsel? Muss ich die Zeit zusammenrechnen? Ich glaube, die Angabe beschreibt nur ein reines Gefühl.” Laut Plöger entspringt diese Art der Wetterbeschreibung lediglich dem Wunsch nach einer sehr kurzen, durch eine Zahl präzise wirkenden Zusammenfassung, ohne dass sie einen wirklichen Informationsgehalt aufweist.
Es ist ein interessanter Aspekt der Wettervorhersage, dass ihre Alltagsrelevanz sehr zu Wertungen einlädt. Wolken sind schließlich sehr viel mehr als nur eine Anhäufung physikalisch prognostizierbarer Wassertröpfchen. Anders als die meisten anderen Naturwissenschaftler, deren Forschungsresultaten in der Öffentlichkeit weitgehend emotionslos begegnet wird, müssen Meteorologen daher immer auch aufpassen, nichts Falsches zu sagen: “Mit Eindrücken von Menschen ist das immer so eine Sache, jeder hat so sein Gefühl. Ein Landwirt empfindet zum Beispiel Regen oft anders als ein Jugendlicher, der Sommerferien hat. Mein Anspruch ist eigentlich, wertfrei das Wetter zu moderieren, das heißt ich habe nicht zu beurteilen, ob es schön oder schlecht ist. Aber wenn es drei Wochen lang fast jeden Tag mal regnet und der Folgetag sonnig und trocken werden soll, dann kann es mich auch mal erwischen und ich sage: Morgen wird´s endlich mal ein bisschen schöner.” In solchen Fällen muss ein Fernsehmeteorologe allerdings immer mit dem Widerspruch von Zuschauern rechnen.
Seit 16 Jahren sagt Sven Plöger nun das Wetter im deutschen Fernsehen voraus. Man könnte sich durchaus fragen, ob sich in dieser langen Zeit das Wetter trotz der Vielfalt der Wolkentypen und möglichen Wetterlagen nicht irgendwann wiederholen muss. Von Langeweile ist Plöger aber bisher verschont geblieben: “Manchmal denke ich selber: meine Güte, was fasziniert dich daran? Ich weiß es nicht, es macht einfach Spaß, sich damit zu beschäftigen. Aber ich verspreche, in dem Moment, wenn es mich langweilt höre ich auf.”
- © Jens Gyarmati
- © Jens Gyarmati
- © Jens Gyarmati
- © Jens Gyarmati
- © Jens Gyarmati
- © Jens Gyarmati
- © Jens Gyarmati
- © Jens Gyarmati